Im Gespräch mit unisono berichtet Nicole Kalbermatten, Präsidentin der schwer getroffenen Walliser Musikgesellschaft Fafleralp Blatten, von den ersten Tagen nach dem Bergsturz, wie es dem Verein heute geht und warum Aufgeben keine Option war.
Ich war in Wiler bei den Bergbahnen im Büro am Arbeiten. Es regnete den ganzen Tag. Um 15.24 Uhr ging plötzlich der Strom aus und ein dumpfer Knall war zu hören. Die Frontfenster im Büro schlugen zu. Dann verloren wir innert 30 Sekunden alles, was wir in unserem Dorf über Jahre aufgebaut hatten: Lieblingsorte, das Zuhause, unsere Heimat - alles war weg.

Wir waren in der Vorbereitungsphase für das Oberwalliser Musikfest. Auch nach der ersten Evakuierung am 17. Mai 2025, an der 20 Familien - darunter auch meine eigene - innerhalb von anderthalb Stunden evakuiert wurden, probten wir noch voller Elan weiter. Nach dem Bergsturz gab es erstmals einen Stillstand - allen schien klar, dass die Saison beendet ist. Die Musik rutschte vorerst in den Hintergrund. Wichtiger waren Familie und Freunde und vor allem, ein Zuhause für längere Zeit zu finden.

Wir trafen uns am Samstag, 31. Mai 2025 zur gewohnten Probezeit. Dieses Mal jedoch im Restaurant, um zu reden, Pizza zu essen und füreinander da zu sein. Es hat uns allen gutgetan und für etwas Ablenkung gesorgt. Bald darauf folgte Fronleichnam, an dem wir uns im Musiklokal in Kippel trafen, um das Stück «Einsam klingt» aufzunehmen. Das war das erste musikalische Zusammentreffen - es war sehr emotional und hat viel Kraft gekostet. Aber auf das Ergebnis sind wir sehr stolz!

Ausser zehn Instrumenten und sechs Uniformen war alles verschüttet: Das Probelokal samt der Vereinsfahne, dem Schlagzeugmaterial - darunter vier Timpani, das Xylophon, das Glockenspiel, das Vibraphon, das Drum-Set, der Gong und die Pauke -, Erinnerungsstücke an Feste wie Pokale und Diplome, die ersten Statuten von 1882, alte Instrumente, viele Vereinsfotos, Protokolle und das gesamte Archiv sind im Schuttkegel verschwunden. Unsere Mitglieder haben zudem ihre Häuser, Wohnungen, Ställe und Hobbyräume verloren. Alles, was man nicht innert 20 Minuten einpacken konnte, ist weg!
Ja leider, vier Bässe, zwei Es-Hörner, ein Flügelhorn, vier Posaunen, sechs Cornets, einige Trommeln und ein Bariton sind in den Wohnungen der Mitglieder von den Schuttmassen oder vom Wasser zerstört worden.

Ja, einen Es-Bass, ein Es-Horn und ein Cornet, aber leider alle drei mit Totalschaden. Vier Cornets, zwei Posaunen und ein Bariton konnten gereinigt und ihre Koffer ersetzt werden. Mit diesen können wir wieder spielen.
Ja, eine Handvoll Noten wurde verteilt im Wald oberhalb von Blatten gefunden. Das Vereinsschild (Täfeli) für die Marschmusik und drei CDs der MG Fafleralp Blatten tauchten im Schutt in der Nähe des Musiklokals auf.

Als erstes von den Jungmusikanten. Sie fragten sofort nach Ersatzinstrumenten. Ich wurde nach und nach von Mitgliedern gefragt, ob wir wieder proben könnten. Sie hatten das Verlangen, etwas zu tun, um Ablenkung zu haben. Daraufhin sind wir im Vorstand zusammengekommen und haben eine ausserordentliche GV einberufen. Dort beschlossen wir Mitglieder einstimmig, den Wiederaufbau zu starten und die MG Fafleralp Blatten nicht untergehen zu lassen. Der Wunsch kam also vom gesamten Verein, und aufgeben war daher keine Option mehr!
Gegründet: 1880
Ort: 3919 Blatten im Lötschental
Stärkeklasse/Besetzung: 2. Klasse Brass Band
Anzahl Mitglieder: 35
Dirigent: Christian Pfammatter
Jugendformationen: Lötschentaler Jugend Brass Band (Christian Pfammatter) und Brass Band Lötschental (Yvan Lagger)
Wir proben im Musiklokal der Minerva Ferden, das uns die Gemeinde Ferden umgehend zur Verfügung gestellt hat. Auch die anderen Talgemeinden hätten uns die Lokale zur Verfügung gestellt, aber in Ferden hat es mit den Probetagen am besten gepasst. Dank grosszügigen Spenden konnten wir die fehlenden Instrumente ersetzen und die Leihinstrumente zurückgeben.
Sehr, sehr emotional, aber schön. Der Auftritt gab uns einen Moment des Alltags - der Normalität zurück. Das gemeinsame Musizieren fühlte sich immer noch an wie vor dem Bergsturz. Es hat allen gut getan - uns Musikanten wie den Messfeier-Teilnehmenden.
Das war der schwierigste Einmarsch, den ich je erlebt habe. Mir war noch nie so übel vor einem Auftritt. Der Auftritt in schwarzer Hose und weissem Hemd war speziell, aber okay. Schmerzhafter war der Einmarsch ohne Fahne und daher auch ohne Fähnrich - er stand am Strassenrand. Die Menschen am Strassenrand hatten ebenso viele Tränen in den Augen wie wir - wenn nicht noch mehr. Auch beim anschliessenden Saalkonzert war es auffallend still während wir musizierten. Es war schön und hat dem ganzen Tal gutgetan - ein «normaler» Moment mehr!

Zum einen ist unser Fähnrich arbeitslos und zum anderen ist die Fahne ein Symbol für die Zusammengehörigkeit in unserem Verein wie auch im Dorf. Auf unserer Fahne, die bereits 78 Jahre alt war, stand «In Freud und Leid zum Spiel bereit». Das könnte nicht besser passen. Instrumente kann man ausleihen, Uniformen anpassen, aber Fahne gibt es nur die eine!

Das haben wir und dafür möchte ich im Namen des ganzen Vereins von Herzen danken! Schon Tage nach dem Bergsturz erhielten wir Spendenanfragen, um Instrumente auszuleihen oder als Geschenk entgegenzunehmen. Auch diverse Uniformen hätten wir übernehmen können. Es gab viele Benefizkonzerte wie von der Musikgesellschaft Kandersteg, der Brass Band Berner Oberland sowie einem grossen Konzert diverser Chöre in Sursee. Am Oberwalliser Musikfest in Simplon Dorf wurde gesammelt, das OK vom Bezirksmusikfest Eischoll gab einen Teil des Gewinns ab. Finanzielle Unterstützung kam auch vom Rotary Club Schweiz und Leuk. Das Music Centre Sion hat uns sofort Mietinstrumente gratis zur Verfügung gestellt. Musikvereine spendeten mehrere tausend Franken, indem sie uns Lottoeinnahmen, Konzerteintritte, Veteranengeschenke und vieles mehr spendeten, anstatt den Gewinn für sich zu behalten. Bei der Ruf AG durften wir kostenlos Marschmusik-Notenbücher bestellen und der Musikverlag Frank schenkt uns die Partituren. Weitere, nicht erwähnte Sponsoren sind auf unserer Webseite mgfafleralp.ch aufgeführt. Ebenso erreichte uns ganz viel Zuspruch und Ermutigung! Es war enorm schön, zu erfahren, wie viele Menschen an unseren Verein dachten.
An diesem Tag wollen wir vor allem eines: Danke sagen! Danken für die Unterstützung und Ermutigung, die wir erfahren durften. Der Rang wird für uns dieses Mal weniger wichtig sein.
In Biel werden wir schlicht in schwarz-weiss auftreten, die Ehrendamen in neuen Trachten und der Fähnrich mit der neuen Fahne.


Bis wir wieder ein eigenes Musiklokal samt Schlagzeugmaterial aufbauen können, fehlt zurzeit noch ein Batzen für die nächste Grossanschaffung: die neue Uniform - Planung 2026, Produktion 2027. Ansonsten sind es Kleinigkeiten wie Notenständer für zuhause, Metronome, Stimmgeräte - und Silent Mute Dämpfer, da sich die neuen Nachbaren noch an unsere Klänge gewöhnen müssen … [schmunzelt]
Der Schweizer Blasmusikverband hat ein Spendenkonto für die MG Fafleralp Blatten eingerichtet.

Wie schon erwähnt ist es die Vereinsfahne. Wir werden die neue Fahne pünktlich vor dem Eidgenössischen Musikfest abholen können! Alles andere folgt nach und nach. Das Wichtigste haben wir - das sind die Mitglieder selbst!
Der verheerende Bergsturz hat unseren Verein ... noch stärker zusammengeschweisst!
An der ausserordentlichen Generalversammlung vom 27. Juni haben wir unseren Blick nach vorne gerichtet und ... beschlossen, eines Tages voller Stolz wieder in Blatten einzumarschieren!
Die herausfordernde Zeit hat verdeutlicht, dass ... wir in Freud und Leid zum Spiel bereit sind!
Auf unserem Weg zurück in die Normalität ... unterstützen wir uns gegenseitig, denn aktuell sind wir noch nicht wirklich in der Normalität angekommen!
Wir wollen, dass in Blatten im Lötschental ... wieder das Paradies aufersteht.
In Biel/Bienne möchten wir ... von Herzen Danke sagen!
Wir setzten uns aktiv für die Jugendausbildung ein, weil ... sie unsere Zukunft ist!